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Großhandel mit Tabakwaren – was ist das eigentlich?

 

Eine der Stärken der Europäischen Union ist ihre Diversität: auch wenn das nicht immer und von allen so gesehen wird, erwächst aus Diversität eher und wahrscheinlicher Fortschritt als aus Uniformität. Diese Diversität liegt auch im Handel mit Tabakwaren in der Europäischen Union vor, was es bei allen Vorteilen erschwert, in ein paar kurzen Worten Handelsstrukturen zu beschreiben, die in jedem Mitgliedsstaat unterschiedlich organisiert sind. Im Folgenden konzentriere ich mich deshalb auf die Gemeinsamkeiten und Aufgaben auf hoher Komplexitätsebene, die von den rund 3.000 größeren oder kleineren Unternehmen mit ihren rund 45.000 Mitarbeitern, die sich in der EU mit Tabakwarengroßhandel befassen, geteilt bzw. wahrgenommen werden.

Mehr als 150 Fabriken in der EU stellen Tabakprodukte her. Nach Angaben der EU Kommission (Special Eurobarometer 506‚Februar 2021) konsumiert rund ein Viertel der EU Bürger Tabakprodukte wie Zigaretten, Zigarren oder Pfeifentabak, das wären mehr als 90 Millionen Bürger. Wegen ihres vergleichsweise hohen Preises werden Tabakprodukte von den Konsumenten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht in großen Vorratsmengen gekauft (wie dies z.B. bei Waschmittel der Fall zu sein pflegt), sondern in sehr kleinen, beispielsweise eine Schachtel Zigaretten, 100 Gramm Pfeifentabak, 40 Gramm Feinschnitt. Hierdurch bedingt, ist die Anzahl der Verkaufsstellen, an denen Tabakprodukte erworben werden können, recht hoch, nämlich rund 950.000 Verkaufsstellen, zu denen noch rund 500.000 Automaten (in den meisten Fällen Zigarettenautomaten) hinzutreten.

Ergo stehen den ca. 150 Fabriken, in denen Tabakprodukte gefertigt werden, rund 1,45 Millionen Verkaufsstellen entgegen, in denen Tabakprodukte angeboten werden; diese 1,45 Millionen Verkaufsstellen verteilen sich mehr oder weniger gleichmäßig auf die 4,3 Millionen Quadratkilometer der EU.

Die Aufgabe des Tabakwarengroßhandels ist es, den Waren- und Geldfluß zwischen den Fabriken und den Verkaufsstellen zu organisieren und abzuwickeln: Tabakprodukte müssen in der richtigen Sortimentszusammenstellung, meist mehrmals pro Woche, von den Warenausgangslägern der Fabriken in die Läger der Großhändler und von dort zu den einzelnen Verkaufsstellen verbracht werden. Der Umfang dieser Warenströme ist beträchtlich: insgesamt werden im Jahr (Zahlen für 2020) Waren im Konsumentenverkaufswert von 200 Milliarden Euro (hierin enthalten rund 110 Milliarden Euro Tabaksteuern) in die Richtung Fabriken – Verkaufsstellen bewegt sowie der entsprechende Geldfluß zurück.

Auf der Strecke der Tabakwaren von der Fabrik zur Verkaufsstelle sorgt der Großhandel durch nachfragegerechte Bestellungen bei den Fabriken für das Vorhandensein der Tabakwaren in den eigenen Lägern, nimmt die Bestellungen der einzelnen, von ihm versorgten Verkaufsstellen entgegen, stellt die bestellten Waren zusammen und liefert sie aus. Auf dem entgegengesetzten Weg sorgt der Großhandel für den Geldtransfer zur Bezahlung der Tabakwaren an die Fabriken und die Rechnungserstellung an die Verkaufsstellung sowie deren Zahlungskontrolle. In dem gesamten Zahlungsfluß sind auch die Steuern (die meist von den Fabriken an den Staat entrichtet werden, in manchen Fällen auch vom Großhandel) enthalten.

Das Ganze ist eine logistische und organisatorische Herausforderung von erheblichem Umfang, insbesondere wenn man sich vor Augen hält, daß aufgrund des hohen Wertes der gehandelten Produkte an keiner Stelle der Kette Ungenauigkeiten auftreten dürfen.

Regulierung von Tabakprodukten

Regulierung von Tabakprodukten im weiteren Sinne, also der Herstellung von Tabakprodukten, des Handels mit ihnen und hinsichtlich der Stätten, wo geraucht bzw. nicht geraucht werden darf, ist kein Phänomen unserer Zeit, vielmehr gibt es sie auf europäischen Boden fast ebenso so lange, wie Tabak in Europa konsumiert wird. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war die Regelung und die Regulierung des Marktverkehrs von Tabakprodukten und ihres Konsums ausschließlich Angelegenheit der Staaten Europas.

Da Regulierung regelmäßig mit Eingriffen in Lebens- und Handlungsbereiche, die geschützt oder schützenswert bzw. von wirtschaftlichem oder fiskalischem Belang sind, einhergeht, haben sich in europäischen Staaten Verbände und Interessenvertretungen gebildet, die im Dialog mit den Regulatoren Aspekte einbringen, die zu einer sachgerechten Regulierung beitragen.

Zu den Regulierungen der Nationalstaaten ist in den letzten beiden Jahrzehnten die Europäische Union als Regulator hinzugetreten und harmonisiert über die Tabakproduktrichtlinien und ihre verschiedenen Bearbeitungsstufen bestimmte Standards in der EU und gibt Anstöße für neue Regulierungen.

Der ETV als Dachverband europäischer Tabakwarengroßhandelsverbände nimmt hier die Rolle des Mittlers zwischen europäischen Verbänden und Brüssel wahr: einerseits die Information hin zu den Verbänden in den Nationalstaaten und andererseits das Einbringen von Aspekten der europäischen Großhandelsverbände in die Gespräche und Anhörungen in Brüssel.

Ziel des ETV ist es, darauf hinzuwirken, daß europäische Regulierungen so gestaltet werden, daß die Grundsätze des Subsidiaritätsprinzips und der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, um eine sachgerechte und effektive Regulierung in Hinsicht auf die legitimen Ziele, vor allem dem Schutz von Kindern und Jugendlichen, zu erzielen. Der Fokus des ETV liegt dabei naturgemäß auf solchen Themen, Aspekten und Regulierungen, die die Funktion des Großhandels in Europa berühren und betreffen.

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